Der Parkgründer

Der Gründer des Lütetsburger Landschaftsgartens war der Freiherr Edzard Mauritz zu Innhausen und Knyphausen. Als er Ende 1789 den seit dem 16. Jahrhundert im Besitz seiner Familie befindlichen Gutsbetrieb übernahm, begann er nach wenigen Wochen mit der schrittweisen Destruktion des von seinen Vorfahren angelegten architektonischen Gartens und ersetzte diesen Zug um Zug durch eine landschaftliche Anlage. Sie besteht – wenn auch mit etlichen Erweiterungen – bis heute in ihren Grundzügen und wird weiterhin durch seine Nachfahren sorgfältig gepflegt.

Der Eifer und die Radikalität, mit denen Knyphausen zu Werke ging, lassen erkennen, dass für sein aufgeklärtes Selbstverständnis als Herr von Land und Leuten, aber auch für ihn ganz persönlich der Garten in seiner landschaftlichen Form eine besondere Priorität besaß. So schuf er im Zuge der „Gartenrevolution“ des 18. Jahrhunderts einen der bedeutendsten Landschaftsgärten Norddeutschlands.

Wie für alle Gartenreformer der Zeit war auch für Knyphausen der Garten von Wörlitz das bewunderte Vorbild. Anders jedoch als die regierenden Fürsten, die damals Landschaftsgärten anlegten, diente der Lütetsburger Garten – obwohl der Öffentlichkeit stets zugänglich – nicht der Repräsentation vor der Öffentlichkeit, sondern war in besonderem Maße Ausdruck von Knyphausens individueller Persön-lichkeit und Ort privater Existenzerfüllung. In diesem Sinne ließ er über dem Parkeingang folgende Inschrift anbringen:

„Heil dir erhabner Genius, der du die göttliche Kunst zeigtest, der Natur die Geheimnisse Ihrer Reize zu entlocken, die Erde da zu verschönern, wo die Natur nur wenig für sie gethan hat, durch ihre Nachahmung das Auge zu täuschen und Schönheiten zu sammlen, in die wir uns, durch einen angenehmen Betrug, wie hingerissen fühlen. So schafft die wohlthätige Kraft der Einbildung der hoffenden Seele in romantischen Träumen ein Elisium. Sie sieht sich am Ziel ihrer Wünsche, fühlt sich glücklich und genießt, wann auch nur auf kürzere Augenblicke als in den Stunden des wirkli-chen Lebens.“

Bis heute teilt sich dem Besucher des Parks die spezifische Intimität seiner Atmosphäre mit. Die geis-tigen wie emotionalen Schwerpunkte des Gartens bilden der Freundschaftstempel, die Carolineninsel und allen voran die „Insel der Seligen“. Diese Insel – als letzte Ruhestätte für seine Familie von An-fang an geplant – wurde von Knyphausen vorzeitig realisiert, als seine Frau bereits 1793 im Kindbett starb. Gegen den Willen seiner Familie hatte er sie aus leidenschaftlicher Liebe geheiratet. Ihr früher Tod löste eine seelische Krise aus, aus der er sich dank der Unterstützung seines besten Freundes, eines bürgerlichen preußischen Finanzbeamten in Berlin, und durch die schöpferische Arbeit an sei-nem Garten, langsam zu lösen vermochte.

Für den Freund erbaute Knyphausen unweit der „Insel der Seligen“ einen Freundschaftstempel und schmückte ihn mit einem Marmormedaillon, das das Porträt seines Freundes zeigt. Beide waren von denselben Lebensidealen überzeugt. In deren Mittelpunkt stand die Erfüllung sozialer Pflichten und „häusliche Glückseligkeit“. Dem ersten Lebensziel ist eine kleine Norwegerkapelle gewidmet. Sie trägt als einzigen Schmuck an der Stirnseite eine Inschrift, die das aufgeklärte Glaubensbekenntnis des Gründers ausspricht: „Natur und Tugend führen zu Gott“.

Dem anderen großen Lebensziel der Freunde – „häusliche Glückseligkeit“ – hatte des Schicksal durch den Tod der liebsten Menschen eine Grenze gezogen, zunächst seiner Frau und später noch seiner besonders geliebten Tochter Caroline, der er ein Denkmal auf einer Insel widmete. Diese Erfahrungen hatten für Knyphausen zur Folge, dass der Garten für ihn ein Ort der Erinnerung vergangenen Glücks und „Vorschein“ eines glücklicheren Lebens jenseits des Todes wurde, denn als aufgeklärter Mensch war er aus philosophischen Gründen von der Unsterblichkeit der Seele überzeugt.

Diese metaphysische Seite der landschaftlichen Schönheit teilt sich dem heutigen Besucher immer noch durch Inschriften mit, die Knyphausen zum großen Teil selbst verfasste. So findet sich an einer Bank folgendes Gedicht:

„Horch wie die Nachtigall schlägt in der Blüthen regnenden Wildnis, Schau wie die güldene Saat wogt das Gelände hinan! Gellend erschallt aus dem goldenen Bette die Flöte der Wachtel! Dumpfer des Rohrspatz Ruf aus dem Geröhricht des Sumpfs. Jeglicher funkelnde Stern und jegliche rollende Sonne Jegliches Rauschen im Busch, jedes Geflüster des Schilfs, Jegliches Echo der Nacht die Stimm’ aus anderen Welten Haucht in dem lechzenden Geist Ahnung des Beßren empor.“

Text: Dr. Wolfgang Kehn

Quellen/Literatur:

Udo von Alvensleben (1988): Die Lütetsburger Chronik. Geschichte eines friesischen Häuptlingsge-schlechts. 2. unveränd. Auflage. Göttingen 1988 (1. Aufl. Dortmund 1955)

Wolfgang Kehn (1998): Ethik und Ästhetik – Der Landschaftsgarten um 1800 als Kunstwerk und als Lebensform – am Beispiel des Knyphausenschen Parks zu Lütetsburg in Ostfriesland. In: Der Schloß-garten zu Lütetsburg. Hrsg. v. Wolfgang Kehn. Worms 1998, S.1 – 58. Auch in: ”Die Gartenkunst” Jg. 1998, H.1, S.1-58.